Sonntag, 10. April 2016

Heimkehr der Krieger

Noch immer teilte Lovis eine Kammer mit Sigurd. Es war ihr nicht so unangenehm, wie sie anfangs angenommen hatte. Sigurd erwies sich erneut als vertrauenswürdig und verbrachte die Nächte meist draußen auf Wache und schlief tagsüber um sie nicht in Bedrängnis zu bringen. Trotzdem stellte er nach wie vor ihre Geschichte in Frage und hatte damit begonnen ihre Fähigkeiten auf die Probe zu stellen.

Eines Morgens trug er eine erlegtes Tarsk in die Halle. Einen mächtigen Eber mit furchteinflößenden Hauern und einem riesigen Maul, aus dem noch Blut sickerte. Blut sickerte auch aus einem Riss in seiner Hose, denn der Eber hatte sein Leben zu verteidigen versucht. Jetzt galt es, den Kadaver zu zerlegen und nichts zu verschwenden.  Niara machte sich sofort an die Arbeit, für sie war das keine unbekannte Aufgabe, aber als Sigurd Lovis sein Messer reichte, wusste sie nicht wirklich was zu tun war damit. Und als dann Niara noch die Gedärme des Tiers in einen Eimer klatschen ließ, war jede Klarheit in Lovis' Kopf völlig dahin. Trotzdem machte sie sich daran, dem Tier den mächtigen Kopf abzutrennen. Als wäre das nicht genug, dass sie über und über mit Blut besudelt war, verlangte Sigurd nun noch, dass sie den Darm wusch, damit später Würste gemacht werden konnten. Das herausfordernde Grinsen in seinem Gesicht fühlte sich noch demütigender an als die Aufgabe selbst.

Lovis packte sich den Eimer und schlug die Tür so fest zu, dass die Holzstreben der Halle vibrierten. Draußen sog sie die frische Luft in ihre Lungen und stapfte zornig zum Fluss. Sie konnte nicht zurück, selbst wenn sie es gewollt hätte. Und sie konnte es sich nicht leisten jemanden zu verärgern, der ihr immerhin bisher Schutz gewährt hatte. Also kippte sie den blutigen, stinkenden Haufen in das glasklare Wasser des Baches und sah einen Augenblick verwirrt zu, wie er abgetrieben wurde von der Strömung, bevor sie ins Wasser hüpfte um das Schlimmste zu verhindern.

Als sie schließlich mit dem gewaschenen Darm zurück in die Halle kam, war sie bis zu den Hüften nass und durchgefroren, aber immer noch blutbesprenkelt im Gesicht und an den Armen. Den Vorschlag draußen kurz zu baden und sich dann umzuziehen, lehnte sie zähneknirschend ab. Sie hatte nichts zum Umziehen und sie würde so bald nicht nochmal in das kalte Wasser steigen. In dieser Nacht lag sie wach und kochte vor Wut. Am liebsten hätte sie Sigurd den Haufen Darm auf sein Bett gelegt als kleine Überraschung oder ihn besser gleich damit erdrosselt.



Dazu kam es jedoch nicht. Sie bezwang ihren Zorn und am nächsten Morgen war die Halle gefüllt mit Leben. Frauen, Kinder, Sklavinnen. Die Krieger waren zurück und mit ihnen der Jarl. Er stand an einen Pfeiler gelehnt und trug ein Kind auf dem Arm, weswegen sie ihn nicht gleich als Jarl erkannte. Er nahm das gelassener auf als Lovis und gewährte ihr weiterhin die Gastfreundschaft von Fensalir. Sie musste nicht einmal ihre Geschichte erzählen, denn es dauerte nicht lange und Sigurd betrat die Halle. Mit ihm wechselte der Jarl viele Worte und Lovis ließ sich erleichtert auf einer Bank nieder und verließ diese nur um den Männern Ale zu bringen.

Auch Niaras Mann war zurück. Allerdings steckte noch ein Stück Pfeil in seiner Brust und der musste herausgeschnitten werden von Gaia, der Heilkundigen des Dorfes. Niara war erneut verurteilt zum Warten und ihre Laune war übel. Dies rief einiges Unverständnis bei den Anwesenden hervor, denn die Rückkehr ihres Mannes sollte doch eigentlich Grund zur Freude sein. Niaras Laune und der Trubel in der Halle wurden Lovis schließlich zu viel und sie schlich sich davon zum Gehege der Verrs. Die Kälte des Winters schwand allmählich und es war Zeit den Tieren die Wolle zu nehmen und sie zu verarbeiten. Mit Wolle, Garnen und dem Weben kannte sich Lovis aus. Das war ihre Lieblingsbeschäftigung gewesen im Haus ihrer Eltern. Wie man die Wolle jedoch von den Verrs herunter bekam, das war neu für sie, anstrengend und mühsam. Aber immer noch besser als das stinkende Gedärm eines Tarsk in eiskaltem Wasser auszupülen oder Köpfe von toten Tieren abzutrennen.
 



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